Während einer angeleiteten Achtsamkeitsübung im Rahmen meiner Therapie wurde mein Kopf leer. Still und ruhig genug um zu einer spannenden (?) Erkenntnis zu kommen. Ich habe die Sucht als metaphorischen Dämon gesehen den es tagtäglich einzusperren gilt. Dabei dachte ich an einen Kerker oder eine Folterkammer, eine massive mit Eisen beschlagene Tür und einen wahnsinnigen Kraftaufwand. Einen Kraftaufwand der mich jeden Tag meines Lebens wertvolle Kapazität kostet, mich am erreichen meiner Ziele hindert und wie ein Handicap anzusehen ist. Während mein Kopf leergefegt war kam mir das Bild meines Dämons. Ein verschlingendes Schwarz hätte sein Fell, eine dämonische Fratze sein Gesicht. Riesige Klauen und Muskelpakete gegen die ich kaum bestehen kann.
Jetzt der Clou hehe.
Ich habe ‚Hallo‘ gesagt, bin auf ihn zugegangen, habe ihm meine rechte Hand gereicht. Die dämonische Fratze blickt mich verwirrt an, erwartet sie doch den ewigen Kampf. Zögerlich schüttelt er die dargebotene Hand mit seiner rechten Pranke. Ich grinse schief und spreche gedanklich aus, dass wir auf dem falschen Fuß gestartet haben. Das Eis ist dünn, der Bann jedoch gebrochen. Ich stelle mich vor, heiße Ihn aufrichtig und ehrlich willkommen. Ein herzliches Willkommen mit dem Angebot die Folterkammer hübsch zu machen, wohnlich am besten. Hier eine Zimmerpflanze, dort eine gemütliche Couch, eventuell ein Kühlschrank voll mit leckerer Limonade? King Size Bett mit riesigen Kissen und einer Daunendecke. Eine Kaffeemaschine darf nicht fehlen, oh, in die Wand könnte man ein Fenster für eine schöne Aussicht einlassen. Ein Esstisch und eine Sitzecke zum Lesen und falls Besuch vorbeikommt. Der Dämon blickt nicht mehr durch. Woher der Sinneswandel, woher die Avancen? Seine ganze Welt steht Kopf, zaghaft lächelnd und eine Falle erwartend fragt er mich was das denn soll, was ich zu bezwecken gedenke? Ich atme tief durch und erkläre meine Absicht. Meine Absicht ihn endlich ordentlich wahrzunehmen, ihm seinen Platz einzuräumen und als erwünschten (!) Mitbewohner aufzunehmen. Ich erkläre, dass für die WG einige Regeln notwendig sind. Gegenseitiger Respekt ist selbstverständlich und Grundvoraussetzung. Ich respektiere ihn, seinen konstanten Wunsch zu konsumieren und die Kontrolle zu übernehmen. Im Gegenzug wünsche ich mir die Gelegenheit unsere Ansichten anzugleichen. Ich tue alles dafür befriedigt genug zu bleiben, unser gemeinsames Haus zu pflegen und mich zusammen mit ihm um den Hausputz, den Abwasch, das Staubsaugen zu kümmern. Er wird mich regelmäßig wach rütteln, den unbefriedigten Part in mir übernehmen und auf seine eigene Art und Weise mitteilen, dass etwas nicht stimmt oder im Argen ist. Er ist mein ‚Leon ist unzufrieden’ – Frühwarnsystem. Ich hab ihn beschissen behandelt, ihn verleugnet, in eine dunkle Kammer gezwängt. Im Gegenzug hat er all seine Kraft genutzt auch mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich werde Wiedergutmachung leisten, für unser beider Wohlbefinden sorgen. Was er damit macht bleibt ihm überlassen, er scheint aber ein cooler Typ zu sein. Da mach ich mir wenig Sorgen.
Es klingelt an der Tür, es ist Liebe, sie hat Kekse mitgebracht. Ich glaube das wird ne geile WG Zeit.