Vorband

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Die kleine Halle ist brechend voll, lauter Experten stehen dicht an dicht gedrängt in freudiger Erwartung auf die kommende Unterhaltung der Extraklasse.

Die Barfrau ist bis zum Hals tätowiert, mehrere Metallstücke zieren ihr Gesicht, unterstreichen ihre markanten Züge.

Sie hat viel zu tun an diesem Abend, die Menge hat Bock.

Bock auf die Bands, Bock auf kühles Bier, Bock auf manierliches Gerangel im Pit.

Es ist gut abgedunkelt, lediglich ein paar schwach leuchtende Deckenstrahler ermöglichen den Weg zum Klo, ermöglichen das reingeschüttete Bier wieder loszuwerden.

Mit einem mittelschweren Rausch im Gesicht stehe ich relativ weit vorne links, gute Sicht auf die Bühne, genug Platz um atmen zu können (sprich überhaupt keinen). Mein langhaariger, blonder Kumpane steht zu meiner rechten, die braune Lederjacke natürlich immer noch an, laut ihm alles Anfänger wer die 2€ für die Garderobe zahlt. Endlich ist es soweit, die Bühne erstrahlt in rotem und blauen Licht, die Künstler betreten die Manege, ihre Spielwiese, ihre ganz eigene Arena. Noch verhaltener Applaus, es ist schließlich erstmal nur die Vorband. Vorband kann überraschend gut, jedoch auch besonders scheiße sein, es ist wie Geld in irgendeinen Automaten werfen von dem man im Vorfeld nicht weiß was genau er so tut. Als alle ihre Position eingenommen haben gibt es keine Vorwarnung, keine langweilige Erklärung wer sie so sind, Gott sei dank wird kein öder Monolog darüber gehalten wie sehr sie sich freuen oder ähnliches Gebrabbel. Schlagzeuger im Hintergrund, Bassist von mir aus links, Sängerin in der goldenen Mitte und die E-Gitarre rechts. Sie sehen wild aus, sehen aus als kämen sie aus einem tiefen Loch in irgendeiner Wüste, in der es nichts zu tun gibt außer Black Sabbath zu hören und selbst ein wenig zu klimpern.

One two three… sie hauen rein. Der Sound überrollt mich, der Bass geht direkt in die Magengrube, das Schlagzeug hämmert eine sehr solide Taktung in die Halle. Direkt das erste Riff ist wahnsinnig knifflig, psychedelischer hardcore Shit mit ordentlich Tempo reißt mich mit. Und dann sie. Unglaublich was sie für Töne spuckt, teuflisch gute Rockröhre, Göttin hinterm Mikrofon. Sie schreit, schreit den Text melodisch, ich sehe Spucke-Tröpchen fliegen und bin verliebt. Verliebt in das was diese krassen Ficker mit mir anstellen. Sie nehmen mich mit, lassen mich in einen Teil ihres Kopfes und brettern raus was sie zu sagen und zu spielen haben. Mein Kopf leert sich, kein Gedankenstrudel mehr, kein was-wie-wenn-wo-warum mehr in meinem Hirn, es wird, völlig zurecht, Platz gemacht für wirklich wichtiges, den „ich hau dir auf die Fresse“ Sound. Ich habe das Gefühl sie singt nur für mich, habe das Gefühl sie sieht nur mich in der Halle. Genau wie ich denken alle Männer in diesem Raum, sicherlich auch alle Frauen. Sie macht ihren Job echt gut, da oben, Anführerin der Experten. Ich blicke mich kurz um, will wissen ob die Menge genau so fühlt wie ich. Was anfangs verhaltene Sympathie war ist nun aufgeheizte, sich langsam aber sicher anbahnende Ekstase. Jedes Mal wenn der Sound besonders heftig kommt, sehe ich wie sich Köpfe stärker mitbewegen, Körper fangen an rhythmisch zu zucken, diesen Brettern kann kein Profi widerstehen. Es wird heißer in der Halle, dampfiger, Vorhof zur Hölle, himmlische Verheißung. Oben beschriebener Kumpane kann nicht mehr an sich halten, das Gesicht zum Boden gewandt wird die blonde Pracht geschüttelt. Plötzlich werde ich von hinten sanft geschubst.

Ich grinse, das richtige Treiben beginnt.

Was für ein Gewinn, diese verdammte Vorband.

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