Der Wecker klingelt, in immer unterschiedlichen Jingles, ich weiß nicht mehr wie oft ich schon benebelt die Schlummern-Taste gedrückt habe. Ich frage mich warum mein Mitbewohner mir noch freundlich gestimmt ist, mich nicht längst in meinem – augenscheinlich durchaus tiefem – Schlaf erdrosselt hat. Ich bin nicht dafür gemacht um 6:30 aus dem Bett zu hüpfen, der frühe Vogel zu sein, Carpe Diem und weiß Gott was es noch für plattgetretene Phrasen gibt.
Ich bin für die Nacht gemacht. Ich liebe es wenn sich Dunkelheit über das Rasen und Tun der Menschen legt. Mama meinte immer in der Nacht sind alle Katzen grau, ich war nie einer Meinung. In der Nacht leuchtet die Welt am buntesten, man sieht Dinge, Menschen und Verhaltensweisen die das Tageslicht normalerweise in düstere Ecken, verwinkelten Hintergassen zwingt.
Die Nacht bringt zum Vorschein, was die Menschen sind, was sie sind, wenn weniger Leute zusehen. Die Nacht ist dunkel und voll von Trieben, ein Aufbäumen gegen die Weltordnung. Verwaiste Straßen, rot beleuchtete Gassen.
Prostituierte, Dealer, Junkies, Künstler und all das andere Gesocks wagt sich aus der Tür, zögerlich erst, klingt der Tag doch noch nach. Die letzten unbeteiligten Angsthasen fliehen in ihre warmen Häuser und Wohnungen, verschließen Tür und Tor, die Alarmanlage wird aktiviert, Abendessen und dann hurtig ins gemachte Bett huschen und von Abenteuern in sicherem Rahmen träumen.
Dies ist nicht ihr Element, ihre Komfortzone, ihre Spielwiese. Jeder der nach 2 Uhr Nachts draußen ist kann eine Geschichte erzählen, Geschichten über seinen eigenen, kleinen und verruchten Mikrokosmos. Die Tage sind für die Menschen, die Nacht ist für DIE Menschen. Nachts glaube ich zwischen flackernden Neon Reklamen und den beißenden Gerüchen aus den Gullideckeln wieder an Magie. Warum auch nicht, in der Nacht ist alles möglich, Junkies die Frauen vor Vergewaltigern beschützen, Dealer die Herz zeigen und einen Teil des Gewinns dem bekannten Obdachlosen zustecken. Frauen die sich trauen, trauen wild zu sein, aufzufallen, sich auszuleben. Das Tageslicht schafft Ordnung, bis zur Dämmerung herrscht Anarchie, das Gesetz des Großstadt-Jungels.
Das Blatt wendet sich, die Geschichte beginnt verkehrt herum.
Konzern Chefs werden wach und binden ihre Krawatten, Mittelschicht Mamis bereiten Frühstück für die Kinder die sie alleine großziehen. Tagelöhner springen auf, bereit einen weiteren Tag ums Überleben zu kämpfen. Der Schulgong läutet unerbittlich einen weiteren, dem System dienlichen, Tag ein.
Doch es wird sie immer geben, die Nachteulen. Schlafwandeln am Tag, Leben in der Nacht. Dafür sind sie gemacht.